Jede und jeder kennt es, das hochdramatische «O Fortuna» – in zahllosen Werbespots verwertet, und damit von seinem ursprünglichen Kontext mittlerweile weitgehend losgelöst. Eigentlich bildet das Stück den Rahmen von Carl Orffs «Carmina Burana», einer szenischen Kantate über die Launenhaftigkeit und die Ambivalenzen der menschlichen Existenz. Orff vertonte dafür 24 der insgesamt 254 Dichtungen der mittelalterlichen Handschrift «Codex Buranus», entstanden im 11. und 12. Jahrhundert.
Dieses heute weltbekannte Werk erklang am Samstag, 11. November in ganzer Fülle im Stadtcasino Basel. Hauptverantwortlich dafür waren Organistin Babette Mondry und Chorleiter Tobias Stückelberger, die 2022 den Verein vokal:orgel ins Leben gerufen haben und mit diesem regelmässig neue Formate für Chor und Orgel präsentieren.
Neu war bei der Aufführung von Carmina Burana schon der Anfang: Sie begann nicht mit «O Fortuna», sondern mit einer Art Prolog – Hanna Marti, Spezialistin für Mittelalter-Musik, sang das ebenfalls aus dem Codex Buranus stammende «Vacillantis trutine» und begleitete sich dabei selbst auf der Harfe. Nach einer Überleitung folgte dann das Werk Orffs in seiner ursprünglichen Struktur. Neu war die Instrumentierung: Mondry imitierte an der vielseitigen Stadtcasino-Orgel die meisten Instrumente, dazu spielte das Perkussionsensemble der Hochschule für Musik FHNW unter der Leitung von Matthias Würsch. Es war das erste Mal, dass eine Orgel-Fassung der Carmina Burana zu hören war – adaptiert wurde sie von Mondry selbst, die extra für dieses Projekt die Verlagsrechte des Werks einholte.
Der Chor bestand aus über 200 bunt gekleideten jungen Sängerinnen und Sängern, zusammengesetzt aus dem Jungen Kammerchor Basel und Chören der Gymnasien Bäumlihof, Kirschgarten, Muttenz und Oberwil. Die Solo-Stimmen waren mit Sopranistin Jardena Flückiger, Bariton Yannick Debus und Countertenor Julian Schmidlin besetzt. Speziell waren auch die zahlreichen szenischen Elemente vom Chor und den Solo-Stimmen, die das Werk zwar eigentlich vorsieht, die heute aber nur noch selten umgesetzt werden.
«Carmina Burana» handelt – in Szenen auf dem Feld, in der Schenke oder im Hof der Liebe – vom Auf-und-Ab des Lebens, von den wechselnden Stimmungen und Launen der (menschlichen) Natur, symbolisiert vom sich immer weiterdrehenden Rad der Fortuna. Die Aufführung im Stadtcasino unter der Leitung von Stückelberger überzeugte auf ganzer Linie, denn sie schaffte es erstens gekonnt, zwischen dörflich-naivem und apokalyptischem Klang hin- und her zu wechseln. Zweitens waren die Inszenierung der Schweizer Regisseurin Mélanie Huber sowie die Musik voller Leben – wie es sein sollte, bei einem Werk über die Ambivalenzen der menschlichen Existenz. Das ausverkaufte Stadtcasino würdigte den Auftritt mit Standing Ovations.
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