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Kammermusik Basel, 5.12.2023, Stadtcasino Basel: Kammermusik, die über das Gewöhnliche hinaus geht

Klassik
Komponist*innen
Neue Musik
Stadtcasino Basel

Am 5. Dezember 2022 verstarb mit Jost Meier eine wichtige Persönlichkeit des Basler Musiklebens, der hier seit 1980 in verschiedenen Funktionen wirkte. Genau ein Jahr nach seinem Tod veranstaltete die Kammermusik Basel unter der Leitung von Franziska Hirzel im Stadtcasino nun einen Konzertabend zu seinen Ehren. Mit einem Programm jenseits der Grenzen der kammermusikalischen Konventionen.

Den Beginn machte das Atenea Quartett aus Barcelona mit Meiers Streichquartett aus dem Jahr 2015, einem Auftragswerk der Gesellschaft für Kammermusik Basel. Ein Blick ins Programmheft offenbarte gleich die ungewöhnliche Struktur des Stücks – die drei nummerierten Sätze sind durch einen Prolog und einen Epilog gerahmt, ausserdem klangen zwischen den Sätzen jeweils Zwischenspiele. Sofort beeindruckte die Energie, die Meier offenbar auch im hohen Alter noch in seine Musik hineinkomponierte. Das Werk ist heterogen und geprägt von häufigen Wechseln in Form, Dynamik und Tempo, dazu kommt eine grosse Kontrastvielfalt, nicht zuletzt bezüglich melodischer und harmonischer Dichte. Immer wieder erinnerte es an Alban Berg (etwa an seine «Lyrische Suite»), besonders hinsichtlich der latenten Dramatik, die der rein instrumentalen Musik innezuwohnen scheint. Kleine musikalische Gesten – etwa ausgeprägte Glissandi, sanfte bis heftige Tremoli oder langgezogene Motive – liessen viel Raum für die szenische Vorstellungskraft.

Auf das Streichquartett Meiers folgten drei Lieder aus seinem «Lorca-Zyklus», 2015 mit Hirzel uraufgeführt, die auch am 5. Dezember 2023 die Sopranstimme gab, begleitet vom Atenea Quartett. Mit Bravour interpretierte Hirzel den anspruchsvollen Gesangspart, der sich durch viele Solo-Passagen, sprunghafte Melodien sowie die immer wiederkehrenden Wechsel in den Sprechgesang. Plötzliche Beschleunigungen von Tempo und Intensität verstärkten die Kraft der Poesie. Die Musik ist energisch, scharf komponiert – das wurde insbesondere im letzten Lied «Sevilla» deutlich, bei dem das Quartett die Spannung mit Sprecheinsätzen zusätzlich erhöhte.

Nach den «Lorca-Liedern» Meiers wechselte die Besetzung und das Merel Quartett aus Zürich betrat die Bühne das Hans Huber-Saals mit dem ersten Streichquartett von Sándor Veress. Ähnlich wie Meiers Streichquartett war auch dieses geprägt von plötzlichen Beschleunigungen sowie der fragmentarischen Struktur – insgesamt ist das Werk aber homogener, regelmässiger organisiert. Häufige Solo-Teile, für die der Rest des Quartetts für den Klangteppich oder die rhythmische Begleitung zuständig war, hielten die Spannung hoch. Das thematische Material ist zahlreich und vielseitig verarbeitet, im Schlusssatz waren Anklänge an die ungarische Volksmusik deutlich hörbar.

Der zweite Konzertteil bestand aus Franz Schuberts Oktett in F-Dur, D 803. Das sechssätzige Werk für Streicher sowie Klarinette, Horn und Fagott liess immer wieder den sinfonischen Kompositionsstil durchscheinen, wobei Schuberts feines Gespür für die unterschiedlichen Qualitäten der Instrumente unüberhörbar war. Zeitweise schien man Volksmusik aus den Alpen zu vernehmen – der Variationensatz, insbesondere durch den Einsatz der Klarinette, klang dagegen teilweise fast (proto-)jazzig. Markant ist auch die Einleitung zum Schlusssatz: Die dunkle romantische Tonsprache erinnerte stark an den 2. Akt des «Freischütz».

Insgesamt zeichnete sich das Konzert am 5. Dezember 2023 durch ein stimmiges Programm mit rotem Faden aus, das gleichzeitig grosse klangliche Vielseitigkeit beinhaltete. Die Musiker*innen überzeugten durch Präzision und Differenziertheit auf ganzer Linie. Ein Kammermusikabend, der in Bezug auf Besetzung, musikalische Struktur und Klang über das Gewöhnliche hinaus ging – ganz im Geiste von Jost Meier.

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