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AMG, 5.5.2024, Stadtcasino Basel: Beckmessers Albtraum

Klassik
Solistenabend
Stadtcasino Basel

Wer Richard Wagners Oper «Die Meistersinger von Nürnberg» schon einmal gehört hat, der kennt auch Sixtus Beckmesser, den kleinlichen Kritiker, mit nichts ganz zufrieden, an allem etwas auszusetzen. Beckmesser – dessen Darstellung auch als Judenkarikatur gelesen werden kann, und deshalb nicht ganz unproblematisch ist – hat sich im Anschluss an die Uraufführung der Oper als rhetorische Figur etabliert, als Synonym für den engstirnigen Nörgler, der auch an den schönsten Dingen im Leben noch Anstoss nimmt.

Es wäre interessant gewesen, zu hören, was Beckmesser zum Rezital von Daniil Trifonov am 5. Mai 2024 im Stadtcasino Basel, im Rahmen der Solistenabende der Allgemeinen Konzertgesellschaft (AMG) zu sagen gehabt hätte. Denn der russische Pianist macht es dem Musikkritiker wahrlich nicht leicht.

Trifonov präsentierte ein vielseitiges Programm, das mehrere Epochen und Stile abdeckte. Den Beginn machte die Suite in a-Moll von Jean-Philippe Rameau – eine bewegende und kontrastreiche Abfolge von barocken Tanzsätzen, die einen sofort in andere Welten transportieren kann, wenn man sich darauf einlässt. Trifonov spielte sie flüssig, feinfühlig und ruhig – mit rundem Klang, der auch in den forte-Passagen nichts an Ausgereiftheit einbüsste. Zu übersehen und zu überhören, wie tief er in die Musik versunken ist – unmöglich. Dem grossen Applaus, der nach dem letzten Satz im Musiksaal ausbrach, entzog sich der russische Klavierkünstler auf seine authentische Art fast komplett; verschwand schnell hinter der Bühne und setzte sich bei der Rückkehr ebenso schnell wieder an den Flügel und setzte zu Mozarts Klaviersonate Nr. 12 in F-Dur an.

Und auch Mozart spielte Trifonov traumhaft sicher, wie auf Schienen. Da sein Oberkörper und sein Kopf jeweils ganz ruhig bleiben, kann man zwischendurch den Eindruck bekommen, seine Hände führten ein Eigenleben, in das er noch ab und zu einen Kontrollblick hineinwirft. Den 2. Satz spielte Trifonov bemerkenswert langsam, und auch sonst betonte er die dynamischen und metrischen Unterschiede stark. Das steigerte nicht zuletzt den dramatischen Aspekt, der bei Mozart ja auch in den Instrumentalwerken eine wichtige Rolle spielt.

Als letzten Programmpunkte vor der Pause ertönten die «Variations sérieuses» von Felix Mendelssohn Bartholdy. Hier drehte Trifonov die Intensität zum ersten Mal richtig auf – ohne dabei auch nur den geringsten Anschein von Anstrengung zu machen.

In der zweiten Konzerthälfte kam dann Beethovens berüchtigte Hammerklavier-Sonate zum Zug. Trifonov zeigte noch einmal eine andere Seite und spielte streckenweise etwas härter, auch um der anspruchsvollen Dramaturgie des Werks gerecht zu werden. Ein selten euphorischer Zuspruch des Publikums folgte auf den letzten Ton Trifonovs, der – sich weiterhin dem Applaus bestmöglich entziehend – drei Zugaben (zwei davon aus dem impressionistischen Repertoire) offerierte, bei denen er noch einmal sein ganzes Fingerspitzengefühl bewies; das Rezital endete mit dem federleichtesten aller Klavierklänge.

Trifonov scheint alles spielen zu können. Und er passt seine Spielweise den Stücken und Komponisten an, stärker als das andere machen. Technisch kaum zu übertreffen, scheint es geradezu unvorstellbar, dass er je einen Fehler spielen könnte. Was hätte ein Herr Beckmesser hier noch auszusetzen? Vielleicht, dass Trifonov die Stücke aus Barock und Wiener Klassik mit etwas viel romantischem Gestus spielte. Aber das ist nun wirklich Kritik, die an den Haaren herbeigezogen ist.

Kommentare

  1. Bea amBach Avatar
    Bea amBach

    Es war natürlich Mozart’s KlavierSONATE Nr. 12… nicht das Klavierkonzert

    1. Lukas Nussbaumer Avatar
      Lukas Nussbaumer

      Herzlichen Dank für den Hinweis, ist korrigiert!

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