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AMG, 21.1.2024, Stadtcasino Basel: Chopin der allerhöchsten Liga

Klassik
Solistenabend
Stadtcasino Basel

Rafał Blechacz ist kein Mann der grossen Worte. Er lässt die Musik für sich sprechen – die eigene Person steht dabei nie im Vordergrund. Seine Bescheidenheit und seine Demut waren der Hauptgrund dafür, dass Blechacz bisher nie solo in Basel aufgetreten ist: Es sei die Stadt von Krystian Zimerman, dem grossen polnischen Pianisten, da wolle sich Blechacz nicht aufdrängen.

Nun ist es doch noch dazu gekommen. Knapp 20 Jahre nach Blechacz’ überragendem Gewinn des Chopin-Wettbewerbs trat er am 21. Januar 2024 im Rahmen der AMG-Solistenabende im Stadtcasino auf. Mit einem Programm, das wenig überraschend viel Frédéric Chopin beinhaltete, dazu Werke von Claude Debussy, Wolfgang Amadeus Mozart und Karol Szymanowski.

Den Anfang machte Chopins Nocturne in f-Moll, op. 55 Nr. 1, darauf folgten die 4 Mazurken op. 6. Blechacz, der vor den Stücken jeweils kurz innehielt – fast so, als würde er den Geist Chopins heraufbeschwören, – spielte technisch perfekt, was niemanden im Musiksaal überraschte. Was ihn aber zu einem der besten Chopin-Interpreten der Gegenwart macht, ist das tiefe Verständnis für die Musik, die Fähigkeit, die nicht in den Noten zu findenden Klänge zu transportieren. Dies zeigte er im Anschluss auch im kompositorisch wohl interessantesten Chopin-Stück des Programms, der vergleichsweise progressiven Polonaise-Fantasie in As-Dur op. 61 – eine scheinbar nicht enden wollende Kaskade aus Gefühlsausbrüchen, mit viel formeller und harmonischer Freiheit.

Die Polonaise in A-Dur op. 40 Nr. 1, die zu den bekanntesten Chopin-Kompositionen gehört, spielte Blechacz als nächstes, bevor er die erste Konzerthälfte mit einer weiteren Polonaise, derjenigen in As-Dur op. 53 abschloss. Und Teile des Publikums im Stadtcasino waren von den Chopin-Interpretationen so begeistert, dass sie bereits vor der Pause stehende Ovationen gaben. Blechacz ist vermutlich die Person, die einer Reinkarnation des polnischen Komponisten am nächsten kommt. Selbst sein äusseres Erscheinen – nicht zuletzt aufgrund des Fracks, dessen Charme einer bürgerlichen Konzertkultur des 19. Jahrhunderts heute vielleicht nicht mehr ganz so frisch daherkommt – evoziert das Bild Chopins.

In der zweiten Konzerthälfte präsentierte Blechacz zunächst Debussys Suite bergamasque L. 75, und bewies dabei seine Versiertheit auch im impressionistischen Repertoire. Das weltbekannte «Claire de Lune» spielte er federleicht, wenngleich mit weniger grossen dynamischen und metrischen Kontrasten als andere. Es folgte Mozarts Klaviersonate Nr. 11 in A-Dur KV 331 mit dem beliebten dritten Satz «Alla turca», der bei Blechacz äusserst schnell ist – fast so, als stehe die linke Hand unter ständigem Stress, der rechten noch folgen zu können.

Der letzte Programmpunkt bestand mit Karol Szymanowskis Variationen in b-Moll op. 3 aus einem weniger bekannten Stück, das aber bezüglich Virtuosität alle anderen des Abends in den Schatten stellte. Besonders beeindruckend: die schnellen Läufe im tiefen Register, die den Flügel im Musiksaal zeitweise richtig zum Grollen brachten. Ein faszinierendes Werk, das Lust auf mehr Musik von Szymanowski machte.

Nach einer Zugabe und Standing Ovations verabschiedete sich Blechacz dann genauso dezent, wie er am Anfang des Abends erschienen war. Seine aussergewöhnlichen Klavierkünste aber sind unübersehbar und unüberhörbar. Insbesondere bezüglich des Repertoires Chopins gibt es derzeit vermutlich keine besseren Pianist*innen.

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