Kein Konzert ist selbstverständlich – aber manche sind doch noch ein bisschen spezieller als andere. Der gemeinsame Auftritt von Christian Wenk und Elina Kaikova am frühen Sonntagabend, zusammen mit dem Sinfonieorchester Nota Bene, gehört ohne Zweifel zu den ganz besonderen. Beide spielen das Klavier vom Rollstuhl aus, beide haben eine bewegte Lebensgeschichte.
Wenk wurde in Basel geboren und stand als junger Erwachsener vor einer Sportlerkarriere an der Weltspitze. Während des Medizinstudiums entdeckte er sein Talent im Triathlon und betrieb den Sport zwei Jahre lang professionell. Im Jahr 2000 stürzte er beim Training in Japan schwer und wurde querschnittgelähmt. Nach einer rekordverdächtigen Rehabilitation schloss er sein Medizinstudium ab und arbeitet seither als Arzt. Seit 10 Jahren hat er eine eigene Hausarztpraxis im luzernischen Schenkon.
Neben der Wissenschaft und dem Sport gilt Wenks zweite Leidenschaft der Musik. «Meine Mutter sagte mir als Junge, dass ich einmal einen schweren Unfall haben werde, wenn ich weiter so Velo fahre», erinnert er sich. «Ich sagte: Wenn ich querschnittgelähmt wäre, würde ich halt Pianist.» – eine saloppe Bemerkung, die Jahre später eine völlig andere Bedeutung erhielt. «Wir hatten im Aufenthaltsraum in Balgrist, wo ich für die Rehabilitation war, ein Klavier. Sobald ich in den Rollstuhl sitzen konnte, wollte ich spielen.»
Auch Elina Kaikova sass bereits im Spital wieder am Klavier. Aufgewachsen in Moskau, besuchte sie dort die Spezialschule des Konservatoriums, wo sie als angehende Pianistin spezielle Förderung erhielt. Auf einer Konzerttournee in der Schweiz bekam sie ein Angebot, in Zürich zu studieren. Dort machte sie das Konzert- und Solistendiplom. Mittlerweile lebt sie mit ihrer Familie in Reinach.
2012 – sie war damals schwanger mit ihrer Tochter – hatte sie eine Rückenmarkentzündung, die zu einer Querschnittlähmung führte. Jahre lang unterbrach sie ihre Klavierkarriere – bis sie über einen Dokumentarfilm von Christian Wenk erfuhr: «Eines Tages zeigte mir mein Mann den Film über Christian», erzählt Kaikova. «Ich dachte damals nicht daran, wieder als Pianistin auftreten zu können. Aber er kam immer wieder damit – und irgendwann habe ich mich dann bei Christian gemeldet. So kam alles ins Rollen.»
Hauptgrund für die Kontaktaufnahme war, dass Wenk in Zusammenarbeit mit ETH-Elektroingenieur Beat Seiler ein Gerätesystem entwickelte, das es ihm erlaubt, durch das Beissen auf einen Silikonschlauch, die Klavierpedale zu bedienen. «Es handelt sich um eine synchrone Steuerung mit Linearmotor», erklärt Wenk. «Je fester man drauf beisst, desto mehr wird das Pedal nach unten gedrückt. In der Industrie werden diese kleinen Motoren gebraucht, um die Nüsse in die Toffifees reinzudrücken.» Der erste Prototyp wurde vor 23 Jahren entwickelt. «Seither gab es immer wieder Anfragen, aber erst als Elina kam, haben wir das System neu überarbeitet.»
Wenk und Seiler gingen mit der Idee zur Orthotec AG – die Firma ist Teil der Schweizer Paraplegiker-Gruppe in Nottwil. Diese produzierte die Geräte, und so können Wenk und Kaikova am Sonntag das fast schon nach moderner Filmmusik klingende Doppelkonzert von Max Bruch mit Pedal und somit der ganzen dynamischen Bandbreite spielen.
Der Erlös des Benefizkonzerts zu Gunsten der Christian Wenk Stiftung, die sich im In- und Ausland für benachteiligte Menschen einsetzt. «Bisher haben wir vor allem in die Bildung investiert», sagt Wenk. «Ich bin überzeugt, dass sie der Schlüssel für Frieden auf dieser Welt ist.» So sind mit der Hilfe der Stiftung bereits mehrere Schulen in Afghanistan und Myanmar errichtet worden. Aktuell wird an Plänen für die Unterstützung eines Spitals in Uganda gearbeitet.
Ein anderes wichtiges Ziel ist für Wenk die Erprobung und Verbreitung des neuen Pedalsystems: «Elina ist die erste Person ausser mir, die mit dem System konzertiert. Es soll aber künftig über die Orthotec AG allen Querschnittgelähmten zur Verfügung stehen.»
Alle Informationen zum Konzert unter www.nota-bene.ch/benefizkonzerte/.
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