Seine Künstlerkarriere gleich einem Seiltanz, je nach Abschnitt auf die eine oder die andere Seite neigend, ohne je komplett aus der Balance zu geraten: Arcadi Volodos schaffte den Durchbruch Ende der 1990er Jahre als Klaviervirtuose mit teils halsbrecherischen und spektakulären Transkriptionen à la Vladimir Horowitz, allen voran von Liszt-Rhapsodien. Darin keine absolute Erfüllung findend, widmete er sich fortan vermehrt den eher nach innen gekehrten Werken des romantischen Klavierrepertoires, etwa Schubert-Sonaten oder Brahms-Stücken. Es scheint, als habe er die goldene Mitte nun gefunden. Bei seinem Konzert am 17. März 2024 im Rahmen der Solistenabende der Allgemeinen Musikgesellschaft (AMG) im Stadtcasino Basel präsentierte er ein ausgewogenes Programm, mit Fokus auf Schubert und -mann und einigen virtuosen Einlagen dazu.
Die erste Konzerthälfte bestand gänzlich aus Schuberts Klaviersonate Nr. 16 in a-Moll, D. 845. Das Werk wird nicht besonders häufig gespielt, klingt aber erstaunlich modern. Wie man dies von Schubert kennt, ist die Sonate nicht beethovenartig ausgearbeitet und entwickelt, sondern fragmentarisch, eher blockhaft als in einem Guss. Übergänge und Modulationen werden oft mehrheitlich oder gleich ganz übersprungen. Dieses sprunghafte, heterogene Element entsprach zu Lebzeiten Schuberts – ja eigentlich fast über das gesamte 19. Jahrhundert hinweg – nicht dem gängigen musikästhetischen Ideal und wurde deshalb auch wenig geschätzt. In TikTok-Zeiten aber scheint dieser Kompositionsstil relevanter denn je. Und es ist ja überhaupt zu bezweifeln, ob die Menschen jemals so linear gedacht und gefühlt haben, wie es die Musiksprache des 19. Jahrhunderts manchmal suggeriert. Ein Blick in die Skizzen Beethovens beweist eigentlich schon das Gegenteil.
Wie dem auch sei: Volodos spielte die Schubert-Sonate gleichzeitig mit Leichtigkeit und einer seinem Gesicht abzulesenden Seriosität, einem Ernst, der der Musik gerecht wurde. Sofort beeindruckend war die grosse dynamische und charakterliche Bandbreite, die der russische Pianist scheinbar mühelos aus dem Steinway-Flügel extrahierte – ob im knallharten Fortissimo oder im sanftesten Pianissimo, Volodos überzeugte mit klarer und differenzierter Spielweise.
Nach der Pause folgten Schumanns Davidsbündlertänze op. 6. Und wer es bei der Schubert-Sonate verpasst haben sollte, musste es spätestens hier merken: Volodos ist nicht nur ein technisch hochversierter Pianist, sondern versteht es auch, den emotionalen Gehalt eines Werks überzeugend zu transportieren, ohne dabei je oberflächlich oder übertrieben pathetisch zu wirken. Die Charakterstücke Schumanns klangen selten so lebendig – fast so, als wäre Volodos selbst Teil des Davidsbunds gewesen.
Das Programm schloss mit Volodos’ eigener Bearbeitung von Liszts Ungarischer Rhapsodie Nr. 13 in a-Moll, S. 244/13, bei der die ganze Virtuosität des russischen Klavierkünstlers zum Vorschein kam. Der Steinway konnte einem zeitweise fast leidtun – insbesondere während der schnellen Läufe im tiefen Register, die den Flügel regelrecht zum Donnern brachten.
Das Publikum war sichtlich begeistert und goutierte den Auftritt mit Standing Ovations. Es brauchte aber einiges an Überzeugungsarbeit, um Volodos – der den Applaus nicht sucht, sondern eher den Eindruck macht, möglichst schnell davor fliehen zu wollen – zu einer Zugabe zu bewegen. Nach längerem Insistieren leistete er Folge – und schien dann fast nicht mehr fertig zu werden. In den insgesamt vier Zugaben (!) lief er noch einmal zur Höchstform auf und präsentierte seine vielseitige Klavierkunst in all ihren Facetten.
Es war ein rundes, stimmiges Rezital. Volodos scheint die passenden Proportionen und Prioritäten hinsichtlich Virtuosität und gehaltvoller Mässigung gefunden zu haben. Fazit: Ein offensichtlich zufriedener Künstler und ein hochzufriedenes Publikum.
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