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AMG, 6.12.2024, Stadtcasino Basel – Bohdan Luts: Geige solo

Klassik
Rising Stars
Stadtcasino Basel

Es braucht nicht immer der volle Orchesterklang zu sein. Manchmal ist weniger mehr. Wie am Freitag, 6. Dezember 2024 im Hans Huber-Saal des Stadtcasino, beim Rezital von Bohdan Luts im Rahmen der Rising Star-Konzerte der Allgemeinen Musikgesellschaft (AMG). Der ukrainische Geiger, 2004 in Lwiw geboren, gehört zu den grössten Talenten an seinem Instrument, davon zeugen unzählige Auszeichnungen, am prominentesten wohl der 1. Preis beim Carl Nielsen-Wettbewerb in Odense vor zwei Jahren – damals als jüngster Teilnehmer im Feld.

Luts spielte in Basel ein vielseitiges Programm, bestehend aus Stücken von Johann Sebastian Bach, Eugène Ysaÿe und Ernest Bloch. Den Start machte Bachs Sonate II a-Moll BWV 1003 aus dem Jahr 1720. Nach dem ersten Satz, «Grave» überschrieben, zeigte Luts in der Fuge erstmals seine erstaunlich ausgereiften technischen Fähigkeiten: Mit einem Klang, der definierter und voller wohl nicht hätte sein können, spielte er die Stimmen mit einer Leichtigkeit, die beinahe etwas Unmenschliches hatte – zeitweise hätte man meinen können, Luts hätte auch problemlos vierstimmig spielen können. Auch beim zweiten Bach-Stück, der «Chaconne» aus der Partita II d-Moll 1004, ebenfalls 1720 komponiert, liess Luts sein Können spielen – die schnellen, virtuosen Passagen meisterte er, ohne an Präzision einzubüssen. Schon nach Bach konnte das Publikum so folgendes Zwischenfazit ziehen: Luts gehört zu den besten jungen Geigern der Welt, seine bereits hochgradig verfeinerte Technik erinnert an die Grossen des Fachs, ganz besonders an Hilary Hahn.

Auf Bach liess der ukrainische Rising Star zwei Sonaten Ysaÿes folgen – Stücke aus einer ganz anderen Zeit, die aber dennoch viel mit Bachs Kompositionen für Violine solo haben: Immer wieder gab es Stellen mit Anlehnungen an barocke Harmonik und Stimmführung, dazwischen kamen volkstänzerische, aber vor allem auch salonmusikartige Passagen zum Vorschein, die Bilder aus dem Paris der Belle Époque evozierten. Ysaÿe hatte die beiden Sonaten – Nr. 3 d-Moll «Ballade», George Enescu gewidmet, und Nr. 6 E-Dur, Manuel Quiroga gewidmet – 1923 geschrieben. Inspiriert wurde er dabei sowohl von Bachs Violinsonaten als auch von seinen zeitgenössischen Geigenkollegen. Die Stücke gehören zu den faszinierendsten des Solo-Geigenrepertoires – wer sie noch nicht kannte, durfte sich am Freitagabend über Entdeckungen freuen. Luts bewies mit Ysaÿe seine Vielseitigkeit am Instrument und brachte die ganze Klangbreite souverän und stellenweise mitreissend zum Ausdruck. Die zahlreichen Doppelgriffe, oft Teil rasanter Melodieläufe, stellten für den jungen ukrainischen Geiger gefühlt keine grosse Herausforderung dar.

Den Abschluss des stimmigen Programms machte die Suite Nr. 1 g-Moll des Schweizer Komponisten Ernest Bloch. Geboren 1880 in Genf, siedelte dieser während des Ersten Weltkriegs in die USA über, wo seine Musik deutlich mehr Anerkennung fand als in Europa. Seine viersätzige Suite, Yehudi Menuhin gewidmet, kam ganz ohne Satzpausen aus und bewegte sich stärker als die Sonaten Ysaÿes in der abstrakteren Klangsprache des 20. Jahrhunderts – doch auch Bloch lässt immer wieder seine Bewunderung für die barocke Geigenschule durchblitzen, wenn er figürliche und rhetorische Wendungen etwa von Bach paraphrasiert. Luts spielte auch Bloch bis zur letzten Note traumhaft sicher und klar. Der enthusiastische Applaus des Publikums wurde belohnt mit einer Zugabe in Form von Paganinis Caprice Nr. 10. Spätestens dann wurden auch die letzten Zweifel aus dem Weg geräumt: Luts ist ein brillanter Techniker – der ausdrucksstärkste Musiker ist er nicht, aber das macht ihn auch authentisch. Und manchmal ist weniger tatsächlich mehr.

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