Happy New Year. And All That Jazz. Langsam kommt der Konzertbetrieb wieder aus dem – zugegeben sehr kurzen – Winterschlaf und Klassikbegeisterte zurück ins Stadtcasino. Am Donnerstag, 9. Januar 2025 startete auch die Allgemeine Musikgesellschaft (AMG) ins neue Jahr, mit dem Auftritt der Jungen Deutschen Philharmonie im Rahmen der Orchesterreihe Symphonic Gems.
Und der Frankfurter Klangkörper, aus dem schon namhafte weitere Formationen wie das Freiburger Barockorchester oder das Ensemble Modern hervorgegangen sind, brachte eine geballte Ladung Jazz mit – und das gleich doppelt. 1. Mit einem Programm, das sich wie ein Best Of-Album des sinfonischen Jazz las: Copland, Gershwin, Bernstein und Bolcom, dazu ein Auftragswerk des Zürcher Komponisten Daniel Schnyder. 2. Mit Unterstützung des Kebyart Saxophonquartett, dazu gleich mehr.
Den Auftakt machte Aaron Coplands «Fanfare for the Common Man», ein kurzes, aber eingängiges Stück mit sozialer Botschaft. Und die Junge Deutsche Philharmonie legte gleich voll los, besonders der äusserst motivierte Perkussionist, der sich seine forte-Einsätze zu Herzen nahm und damit manche*n im Publikum aus der Kältestarre aufzucken liess. Back With a Bang! Es folgte George Gershwins «Catfish Row», eine Suite, bestehend aus Material seines bekanntesten Musiktheaters Porgy & Bess, mit der weltberühmten Eingangsmelodie aus «Summertime». Abgesehen von dieser fokussieren die einzelnen Sätze eher auf die rhythmische Dimension, entsprechend gab es viel Snykopisches zu hören. Die vielen Takt- und Charakterwechsel verliehen der Musik eine frenetische, zur Hektik und Schnelllebigkeit New Yorks passende Abruptheit, die durch wilde und laute, zeitweise manisch wirkende Passagen verstärkt wurde. Das Banjo im 2. Satz sorgte für ungewohnte, aber willkommene, weil frische Orchesterklangfarben. Schon hier zeigte sich Dirigentin Delyana Lazarova in bester Spiellaune: Mit ihrer präzisen und differenzierten, ausgiebigen Gestik trieb sie das Orchester vorwärts und liess ihren Körper immer wieder tänzerisch mit der Musik mitgehen.
Dann gesellte sich zur Jungen Deutschen Philharmonie das Kebyart Saxophonquartett auf die Bühne des Musiksaals – und begeisterte vom ersten Takt an. Perfekt aufeinander abgestimmt und mit grosser Leidenschaft am Werk, spielten sie sich die Motive und Melodien gegenseitig zu und liessen sie wie beim Telefonspiel – auf Englisch würde man vielleicht sagen: «like a hot potato» – durch die Reihe wandern. William Bolcoms Concerto Grosso war eine echte Entdeckung: Äusserst reich an Kontrasten der Stile und Stimmungen, brachte es verschiedenste Spielarten des Jazz zum Ausdruck – vom Big Band-Groove zum klassischen Swing, von launischem Slow Jazz bis Bebop. Und auch die Charaktere der einzelnen Sätze sorgten für viel Abwechslung: Auf den lebhaften 1. folgte ein lyrischer, fast pastoraler 2., darauf ein Big Band-Walzer und schliesslich eine Badinerie mit fulminantem Finalcrescendo. Nach tosendem Applaus der Menge gab das Saxophonquartett als Zugabe Jörg Widmanns schmissige «Zirkusparade» aus dessen 7 Capprici zum Besten.
Und das Zirkushafte der Zugabe griff die Junge Deutsche Philharmonie nach der Pause in Form von Leonard Bernsteins Candide-Ouvertüre gleich wieder auf. Dabei bewies das jugendliche Orchester nicht nur grosse Groove-Sensibilität, sondern auch die Fähigkeit, agil durch die unterschiedlichsten Tempi und Expressionen zu wechseln. Den letzten Programmpunkt bildete das eigenartige Konzert für Orchester von Daniel Schnyder. Der Zürcher Komponist und Saxophonist, am Donnerstagabend im Stadtcasino anwesend, schrieb es 2021 im Auftrag der Jungen Deutschen Philharmonie. Das Werk unterschied sich insofern von den anderen des Programms, als es zwar viele Jazz-Einflüsse erkennen liess, aber eindeutig mehr nach Orchesterkomposition klang – die Themen waren stärker elaboriert, Übergänge sorgfältig gesetzt, eine insgesamt flüssige Sache. Eine nur schwer festzumachende Stilistik changierte zwischen streicherlastigen Klangflächen mit spätromantischem Einschlag, impressionistischen Elementen und Ausbrüchen des Viszeralen.
Im Schluss unterschied sich Schnyders Komposition jedoch nicht von den anderen des Abends: lautstark, heftig, ein bisschen wild, auf den Punkt. Das liesse sich durchaus als Motto dieses gelungenen Jahresauftakts festhalten.
Hinterlassen Sie einen Kommentar