Die letzten Worte – oder besser: das letzte Wort Gustav Mahlers soll ja angeblich der Ausruf «Mozart!» gewesen sein. Es ist nicht das einzige Zitat, das Mahler (vielleicht zu) grosszügig zugeschrieben wird, denken wir an den vielbemühten Satz: «Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers».
Ungeachtet dessen, ob Mahler wirklich zu ersterem Wort gestorben ist – an dem Ausruf ist etwas dran. Mozarts Musik hat eine ganz besondere, schwer zu beschreibende Qualität, die einen immer wieder gerne zu ihr zurückkehren lässt. Genau das machte am 18. Februar 2025 im Stadtcasino auch das Basler Barockorchester La Cetra, das unter der Leitung von Andrea Marcon im Rahmen der Reihe «Symphonic Gems» der Allgemeinen Musikgesellschaft (AMG) zum Konzert lud.
Das Programm war so aufgebaut, dass man Mozarts Entwicklung – vom genialen Jungtalent bis zur gestandenen Komponistengrösse – hörend nachvollziehen konnte. Den Einstieg machte die Ouvertüre in D-Dur aus Mitridate, re di Ponto. Die Opera seria war das Resultat von Mozarts erster Italienreise in Begleitung von Vater Leopold – das damals gerade einmal 14-jährige Ausnahmetalent erhielt den Auftrag für die Oper vom Mailänder Teatro Regio Ducale (Vorgänger des Scala), wo sie am 26. Dezember 1770 uraufgeführt wurde. Formell nach dem klassischen Modell schnell-langsam-schnell komponiert, lässt die Ouvertüre Mozarts Gespür für den ‘richtigen Ton’ bereits erahnen – die Melodiegestaltung ist relativ einfach, und trotzdem entsteht das Gefühl, dass damit eine Geschichte erzählt wird, die den Kern der menschlichen Existenz angeht. Schon im Allegro präsentierte sich Marcon im Stadtcasino in gewohnt vitaler Form: Er dirigierte, als würde er einen Fechtkampf bestreiten – verteilte Lufthiebe links wie rechts und brachte das Orchester somit gleich auf Zack.
Sieben Jahre nach Mitridate entstand das nächste Mozart-Stück im Programm von La Cetra: das Klavierkonzert Nr. in Es-Dur KV 271, gemeinhin «Jeunehomme» genannt. Es ist das letzte seiner Art aus der Salzburger Zeit, Mozart war 1777 bei der Komposition 21 Jahre alt. Der Übername des Konzerts ist vermutlich auf einen Überlieferungsfehler zurückzuführen – geschrieben wurde es nämlich nicht für einen jungen Mann, sondern für die Klaviervirtuosin Louise Victoire Noverre verh. Jenamy. Gespielt wurde das «Jenamy»-Konzert, wie es also eigentlich heissen sollte, am 18. Februar 2025 von Els Biesemans, die sich hinsichtlich Virtuosität sicherlich mit der ursprünglichen Widmungsträgerin hätte messen können. Biesemans spielte den Solopart nicht auf einem modernen Instrument, sondern auf einem Hammerflügel, wie er zu Zeiten Mozarts beliebt war. Dieser hat natürlich nicht dieselbe Durchschlagskraft wie ein Flügel nach heutiger Bauweise, bringt dafür aber einen feinen, wohltuenden, zeitweise fast rieselnden Klang zu Tage, der sich weniger vom Orchester abhebt, sondern sich mehr in dieses einfügt. Dass Biesemans das Instrument bestens beherrscht, war ab der ersten Note offensichtlich – beeindruckend war vor allem, wie flüssig sie phrasierte und damit das ganze narrative Potenzial aus der Musik herauskitzelte. Besonders im Andantino des «Jenamy»-Konzerts liess Mozart denn auch seinem Händchen für die dramatische Schwere vollen Lauf – der Satz könnte auch als Ouvertüre mit Klaviersolostimme für eine fiktive Opera durchgehen; ja vielleicht würde es das sogar besser treffen. Biesemans legte nach dem Klavierkonzert gleich noch einen Mozart nach und verabschiedete das Publikum in Anschluss in die Pause. Das Wortspiel liegt auf der Hand: Ihr Auftritt war der Hammer.
Die zweite Hälfte präsentierte dann den ‘vollendeten Mozart’: Die Sinfonie Nr. 40 in g-Moll KV 550 ist seine zweitletzte und entstand im Juli 1788 in Wien, Mozart war damals 32 Jahre alt. Beispiellos hat er darin seine kontrapunktische Versiertheit mit dem scharfen Blick für den horizontalen und formellen Spannungsbogen gepaart – und dabei der Musik eine emotionale Tiefe eingeschrieben, die vielleicht nur noch in Nr. 25 und Nr. 41 noch übertroffen wird. Auffallend ist auch, wie Mozart in der 40. die einzelnen Instrumentengruppen immer wieder stimmig hervortreten lässt – am markantesten vielleicht im Andante und im Menuett, wo Traversflöten, Oboen und Klarinetten von La Cetra, das die Sinfonie im Übrigen stehend spielte, glänzen konnten. Das Orchester spielte nuanciert und mit grosser Verve und Präzision – wie man das in Basel von La Cetra bestens kennt. Fazit: Mozart geht immer, Mahler war da wirklich etwas auf der Spur. Und noch schöner ist es, wenn die Musik wie zu Zeiten Mozarts klingt.
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